Debatte um Abgabe für alte Kraftwerke

Klimaschutz oder Kohle?

Stand: 29.04.2015, 17:23 Uhr

  • Ministerpräsidentin Kraft nimmt im Landtag erstmals ausführlich Stellung zur Klima-Abgabe für alte Kraftwerke
  • Die NRW-CDU fordert ein klares Bekenntnis zur Braunkohle
  • FDP-Chef Lindner stellt die Klimaziele Deutschlands grundsätzlich in Frage

Von Rainer Kellers

Am vergangenen Wochenende demonstrierten die Kohlegegner in Garzweiler und die Befürworter in Berlin. Bei beiden Veranstaltungen war die NRW-Landesregierung vertreten. In Berlin demonstrierte Verkehrsminister Michael Groscheck (SPD) gemeinsam mit Gewerkschaften und Beschäftigten gegen die Klimaschutzabgabe. Die stellvertretende Ministerpräsidentin Sylvia Löhrmann (Grüne) reihte sich symbolisch via Twitter in die Anti-Kohle-Menschenkette von Garzweiler ein. Da kann durchaus der Eindruck entstehen, die Landesregierung sei in der Kohlefrage gespalten.

Laschet fordert ein Ende der "Herumeierei"

Im NRW-Landtag versucht die CDU am Mittwoch (29.04.2015), aus dieser vermeintlichen Spaltung politisches Kapital zu schlagen. In einem Antrag fordert die Fraktion von der Landesregierung, sich klar für den Industriestandort NRW und gegen die Klima-Abgabe Gabriels zu stellen. Denn die, so Fraktionschef Armin Laschet, dränge die Braunkohle künstlich aus dem Markt und gefährde tausende Arbeitsplätze in der Branche. Von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) verlangt Laschet ein Ende der "Herumeierei" und das Versprechen: "Diese Abgabe wird es mit mir nicht geben."

Strategisch schwierige Lage für Kraft

Über dieses Stöckchen springt Hannelore Kraft natürlich nicht. Die Ministerpräsidentin hat sich in die seit Wochen anhaltende Debatte öffentlich wenig eingemischt. Es ist ja auch eine vertrackte Situation. SPD-Parteichef Gabriel hat die Kohle-Abgabe gemeinsam mit der aus NRW stammenden Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) offenbar ohne Rücksprache mit Kraft auf den Weg gebracht. Dabei ist klar, dass NRW mit seiner Braunkohleindustrie und dem taumelnden Energie-Riesen RWE besonders unter einer solchen Abgabe zu leiden hätte. Gleichzeitig frohlockt in NRW der grüne Koalitionspartner und spricht vom Beginn des Kohleausstiegs. Das alles bringt Kraft in eine strategisch schwierige Lage. Stellt sie sich offensiv gegen die Abgabe, verärgert sie Gabriel und die Grünen. Tut sie es nicht, vergrätzt sie die Gewerkschaften, die Städte mit RWE-Aktien und die eigene, kohleaffine SPD-Basis. Klare Bekenntnisse fallen da nicht so leicht.

Lösungen, die niemandem wehtun

Im Landtag bedient sich Kraft also jener Rhetorik, die FDP-Chef Christian Lindner als kräftiges "Sowohl-als-auch" bezeichnet. "Wir wollen Klimaschutz, aber keine Strukturbrüche in der Kohleindustrie". Wie das zu schaffen ist? Dazu gibt es von Kraft keine Details. Immerhin sagt sie deutlich, dass das Klimaziel von 40 Prozent weniger CO2 bis 2020 nur dann zu erreichen sei, wenn auch die Braunkohle einen Beitrag leiste. Gabriel aber schieße mit seiner Zusatz-Abgabe für alte Kraftwerke über das Ziel hinaus. Sie hätte "gravierende Auswirkungen auf den Energiemarkt und die Arbeitsplätze in NRW". Kraft will deshalb in Gesprächen mit Gabriel Alternativen ausloten und Daten neu abgleichen. Herauskommen soll dabei also eine Lösung, die niemandem wehtut.

Dass die Grünen dabei mitmachen, ist eine Frage der Koalitions-Disziplin. Hört man dem neuen Fraktionschef Mehrdad Mostofizadeh zu, klingt es aber eher, als wollten die Grünen lieber jetzt als später aus der schmutzigen Kohle aussteigen. Mostofizadeh nennt die alten Braunkohle-Kraftwerke "Dinos" und verlangt eine "aktive Politik des Wandels" statt "Durchhalteparolen". Trotzdem unterstützt seine Fraktion einen gemeinsamen Antrag mit der SPD, der exakt die Position Krafts enthält: Klimaschutz ja, aber... Wie man hört, sei es nicht ganz einfach gewesen, die Fraktionen auf den gemeinsamen Antrag einzuschwören. Für Ministerpräsidentin Kraft aber ist das Papier der Beweis dafür, dass es keine Spaltung bei Rot-Grün gibt.

Lindner: CO2-Ziel gefährde die industrielle Basis

Ein Wort noch zur FDP. Die nämlich hat sich spätestens seit der Debatte am Mittwoch von den Klimazielen verabschiedet, die sie einst in Berlin selbst beschlossen hatte. Fraktionschef Lindner sagt, das Ziel von 40 Prozent weniger CO2 bis 2020 gefährde die industrielle Basis Deutschlands massiv und gehöre deshalb abgeschafft. So weit geht nicht einmal die NRW-CDU unter Laschet. Geschweige denn die NRW-SPD.