Konflikt um Kohle-Proteste

Die Braunkohle-Gegner, RWE und die Gewalt

Stand: 05.11.2015, 00:00 Uhr

  • RWE beklagt zunehmende Gewalt von Braunkohle-Gegnern
  • Umweltaktivisten kritisieren Gewalt von Sicherheitskräften
  • Heftige wechselseitige Attacken in den sozialen Medien

Von Martin Teigeler

Der Konflikt zwischen dem Kohle-Konzern RWE und Umweltaktivisten im Rheinischen Revier nimmt an Schärfe zu: RWE klagt über eine Zunahme von "oft gewalttätigen Übergriffen" im Tagebau-Gebiet Hambach. Es gehe um eine "neue Dimension des Widerstands" durch Umweltaktivisten. In einer Übersicht nannte RWE allein im Oktober die Zahl von acht Zwischenfällen. Tagebau-Bagger, eine Brandanlage und die Hambach-Bahn seien besetzt worden. "Aufgrund der akuten Bedrohung sind viele Beschäftigte verängstigt und in Sorge um die eigene Gesundheit", so die RWE Power AG.

Hambacher Forst

Der Hambacher Forst liegt im Südosten des wohl größten europäischen Tagebaus Hambach. Nach Angaben des Abbauunternehmens RWE Power werden zur Gewinnung der Braunkohle 3.900 Hektar Wald abgebaggert, 300 Hektar bleiben stehen. Der Wald hat nach Angaben des Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) eine 12.000 Jahre alte Geschichte. Der Forst sei unter anderem wegen der großen Areale mit Eichen und Hainbuchen für ganz Europa von Bedeutung. 1977 hatte die damalige SPD/FDP-Landesregierung den Braunkohlenplan Hambach genehmigt.

RWE: Eisenlatten und Kotbeutel

Am 22. Oktober 2015 seien RWE-Mitarbeiter sowie Beschäftigte von Partnerfirmen "durch vermummte Aktivisten massiv angegriffen worden", teilte RWE mit. "Dabei wurden Zaunelemente zerstört und Mitarbeiter mit Steinen, Eisenlatten und Kotbeuteln angegriffen, ein Baggerführer wurde mit einem Zimmermannshammer bedroht." Zwei Täter wurden demnach "durch den Sicherheitsdienst vorläufig festgenommen und der Polizei übergeben". Am 23. Oktober seien zwei Autos durch Brandsätze zerstört worden. Insgesamt habe RWE in den letzten zwei Jahren über 200 Strafanzeigen erstattet.

Kritik an RWE-Security

Kohlegegner erheben ebenfalls schwere Vorwürfe. Zwei Aktivisten seien "am 22. Oktober im Hambacher Forst unter ungeklärten Umständen vom RWE-Sicherheitsdienst festgenommen und der Polizei übergeben" worden. "Mit gebrochener Nase und ausgeschlagenen Zähnen wurde auch ihnen der Zugang zu ärztlicher Behandlung verweigert", heißt es in einer Mitteilung. Insgesamt seien drei Aktivisten gewaltsam festgenommen worden. Als Verletzungen werden "eine Platzwunde, eine gebrochene Nase, fehlende Zähne, gebrochene Finger" genannt.

Polizei kann Täter oft nicht ermitteln

Seit Jahren campieren Braunkohle-Gegner im Hambacher Forst. Das Waldgebiet wird für den politisch seit Jahrzehnten umstrittenen Tagebau abgeholzt. Die Umweltaktivisten werfen den RWE-Sicherheitsmitarbeitern regelmäßig ein ruppiges bis gewalttätiges Verhalten vor. Umgekehrt sieht sich der Konzern als Opfer von "Sabotageakten".

Der Polizei fällt es oft schwer, Täter zu überführen. "Aufgrund der Tatörtlichkeiten sowie der konkreten strafbaren Handlungen ist regelmäßig anzunehmen", dass der oder die Täter aus der Szene der Braunkohle-Gegner stammten, sagte eine Sprecherin der Polizei Düren. Ob es in diesem Jahr eine Zunahme von Straftaten gibt, blieb offen. Genaue Zahlen nannte die Polizei nicht. Zumindest sei "keine deutliche Abschwächung" erkennbar. Im Hambacher Forst gehe es um Delikte wie Hausfriedensbruch, Sachbeschädigung, Störung öffentlicher Betriebe sowie Körperverletzung.

Nachspiel im Landtag

Die letzte Groß-Konfrontation fand Mitte August 2015 am Tagebau Garzweiler II statt. Es kam zu Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften. Insgesamt stellte die Polizei 799 Strafanzeigen wegen Hausfriedensbruchs, Verstößen gegen das Waffengesetz und Landfriedensbruchs. Der Garzweiler-Einsatz hatte ein Nachspiel im Düsseldorfer Landtag.

Vergiftetes Klima im Netz

Seit dem Sommer hat sich die Lage nicht wirklich beruhigt. Auffällig ist, wie erbittert der Streit auch im Internet ausgetragen wird. In den sozialen Medien beschimpfen User die Umweltaktivisten als "Schmarotzer", "Lumpenpack" oder "Ökoterroristen". Die WDR-Berichterstattung über das Thema wird kritisiert. Einige Verfasser von Postings geben sich als RWE-Mitarbeiter zu erkennen. Auf der anderen Seite kündigen die Braunkohle-Gegner in ihrem Blog weitere Aktionen an: "Wir werden weiter auf die Barrikaden gehen. (...) Weiter eure Maschinen sabotieren. Weiter eure Autoritäten nicht akzeptieren. Weiter eure Gesetze brechen." Es deutet momentan nichts auf eine Deeskalation im Rheinischen Revier hin.