Schadenersatz-Prozess gegen Middelhoff

Anwälte lehnen Vergleichsvorschlag ab

Stand: 19.12.2011, 13:26 Uhr

Zum Auftakt des Schadenersatz-Prozesses gegen Ex-Arcandor-Chef Middelhoff haben dessen Anwälte am Freitag (19.12.2011) einen Vergleichsvorschlag des Landgerichts Essen abgelehnt. Das Gericht erklärte, man stehe vor einem langen, aufwändigen Verfahren.

In dem Prozess geht es um Millionenzahlungen, die Middelhoff kurz vor der Pleite des Unternehmens einstrich. Der Insolvenzverwalter fordert 16 Millionen Euro zurück – plus 175 Millionen in einem zweiten Verfahren. Ein Klageerfolg in voller Höhe ist nach Einschätzung der Richter jedoch äußerst unwahrscheinlich. Nach dem vorerst abgelehnten Vergleichsvorschlag des Gerichts sollte Middelhoff dem Insolvenzverwalter Bonus- und Abfindungszahlungen von insgesamt drei Millionen Euro zurückerstatten.

Richter: Bonus als Belohnung

Die Richter führten aus, nach vorläufiger Beratung spreche einiges dafür, dass Middelhoff mit dem Bonus 2008 "noch einmal für seine gute Arbeit belohnt werden sollte", obwohl sein Ausscheiden aus dem Konzern bereits beschlossen war. Dies allein dürfe nach höchstrichterlicher Rechtsprechung aber nicht als Begründung für eine Bonuszahlung angeführt werden. Das Gericht erklärte weiter, es sei "offensichtlich unstreitig", dass Middelhoff darüber hinaus Flugkosten in sechsstelliger Höhe zu Unrecht über das Unternehmen abgerechnet hat. Auch die von Arcandor bezahlten Kosten für eine Festschrift von über 150.000 Euro seien zweifelhaft.

Millionen verprasst

Middelhoff, der den aus Karstadt-Quelle hervorgegangenen Handels- und Touristikkonzern Arcandor zwischen 2005 und 2009 als Vorstandsvorsitzender führte, soll nicht nur zu Unrecht Sonder-Boni und eine überhöhte Abfindung kassiert haben. Ihm wird auch vorgeworfen, mit Geld für Charterflüge, Nobelrestaurants, Hochschul-Sponsoring und den Druck eines Buches um sich geworfen zu  haben. Viel zitiert ist die Anekdote, wie er Geschäftsfreunden eine Doppel-Magnum-Flasche Rotwein für mehrere Tausend Euro auftischte.

Der 58-jährige Middelhoff, der heute eine Investmentgesellschaft in London betreibt, ist nicht der einzige Beklagte. Fünf Ex-Vorstandskollegen sollen ebenfalls zu hohe Boni und Abfindungen eingestrichen haben; zwei ehemalige Aufsichtsratsvorsitzende müssen sich dafür verantworten, dass sie den Geldsegen abgenickt haben. Die Beklagten weisen die Vorwürfe als ungerechtfertigt zurück. Insgesamt verlangt der Insolvenzverwalter knapp 24 Millionen Euro Schadenersatz von den acht Beklagten. Die Essener Richter müssen nun herausfinden, ob die Zahlungen inhaltlich sowie in ihrer Höhe gerechtfertigt waren. Eine zentrale Frage lautet: Wie konnte es sein, dass Arcandor über Jahre sein Spitzenpersonal für angebliche Spitzenleistung belohnte, während der Konzern in Wirklichkeit heftig trudelte und im Juni 2009, drei Monate nach Middelhoffs Ausscheiden, Insolvenz beantragte?

Kampf an vielen Fronten

Middelhoff hat noch andere Sorgen. Seit dem 13. April 2011 läuft, ebenfalls vor dem Landgericht Essen, ein Zivilprozess gegen ihn und weitere ehemalige Führungskräfte. Hier stehen Forderungen über 175 Millionen Euro im Raum. Middelhoff soll es versäumt haben, seinen Vorgänger Wolfgang Urban wegen verlustreicher Immobiliengeschäfte auf Schadenersatz verklagt zu haben. Der Verkauf von fünf Karstadt-Häusern an den Oppenheim-Esch-Fonds im Jahr 2005 sei zu einem Spottpreis abgewickelt worden, argumentiert der Insolvenzverwalter. Später hätte sie der Konzern überteuert zurückgemietet. Middelhoff hält dagegen, dass er den Verkauf nicht mehr habe stoppen können, als er den Posten des Vorstandsvorsitzenden antrat.

Der Manager wehrt sich, indem er ebenfalls klagt, zum Beispiel gegen die Kölner Bank Sal. Oppenheim, die den Oppenheim-Esch-Fonds mitgegründet hat, und sein Privatvermögen pfänden will. Das Landgericht Köln wies Middelhoffs Antrag auf einstweilige Verfügung gegen die Bank im November zurück. In einem anderen Verfahren gab das Landgericht Essen im Mai einem Aktionär teilweise Recht, der Schadenersatz für Kursverluste bei Arcandor-Aktien verlangt hatte.

Middelhoff kam nicht persönlich

Zu einem "Showdown" von Jäger und Gejagtem ist es am Montag (19.12.2011) im Großen Saal des Landgerichts Essen nicht gekommen. Zum einen, weil Middelhoff wie erwartet nicht persönlich erschienen ist, zum anderen, weil sich Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg aus dem Arcandor-Verfahren zurückgezogen hat. Am Mittwoch (14.12.2011) gab der 71-Jährige bekannt, dass er zum 30. November auf eigenen Wunsch vom Gericht abberufen worden sei.

Das Gericht hat Anwalt Hans-Gerd Jauch aus der Kanzlei Görg zum neuen Insolvenzverwalter bestellt. Ihm zur Seite stehen die Anwälte Rolf Weidmann und Helmut Balthasar. "Die Kontinuität bleibt gewahrt", sagt Görgs Sprecher Thomas Schulz gegenüber WDR.de. "Jauch, Weidmann und Balthasar sind inhaltlich schon immer mit Aspekten der Arcandor-Insolvenz befasst gewesen."